Punkrock, die GEMA und Youtube, oder warum die GEMA ganz sicher nicht den Punkrock rettet

Nicht nur die R***PILS AG sorgte dieser Tage bei mir fuer Stirnrunzeln. Aus irgendeinem Grund bekomme ich auch immer wieder Pressemitteilungen der Punkrockband „KIM?“, derweil die in Bochum ansaessig ist und bis auf das Pfleghof-Open-Air in Langenau ansonsten nur zwischen Cuxhaven und Helgoland tourt. Vielleicht liegt’s am Partner The Rocking Ape, der bei meinen Eltern ums Eck in Kirchdorf ansaessig ist, man weiss es aber nicht so genau.

Normalerweise landen solche Pressemitteilungen ohne oertliche Relevanz — genau wie Texte mit exzessiver Selbstbeweihraeucherung oder jubilierenden, kaum getarnten Werbetexten — sofort auf dem Muell. Ich habe mittlerweile groessten Respekt vor wirklich guten Pressereferenten, denn es werden taeglich einfach nur Unmengen an Ramsch ueber deutsche Presseverteiler geschickt, und wer so etwas mehrmals macht, riskiert es, auf ewig in den Redaktionen ignoriert zu werden.

Beim aktuellen Text von „KIM?“ habe ich aber kurz gestutzt und noch einmal genauer nachgelesen. Man erhebt naemlich den Anspruch, eine „spannende Aktion zur aktuellen Verguetungsdebatte zwischen GEMA und Youtube abgefeuert“ zu haben. Die GEMA will, das ist ja seit einiger Zeit bekannt, mehr Geld von Youtube, wenn dort Inhalte von GEMA-Mitgliedern hochgeladen werden. Youtube will das verstaendlicherweise nicht, und so sind Videoclips mit der Musik von GEMA-Mitgliedern seit einigen Monaten in der Bundesrepublik „nicht verfuegbar“.

Deswegen haben „KIM?“ also eine „gemafreie Version“ ihres aktuellen Videos bei Youtube online gestellt. Das sieht so aus wie oben gezeigt und ist mit einem pseudolaessig klingenden Text garniert:

[…] Irre viele Leute besuchen die Seite – auch und gerade wegen der Musik hier – und der Betreiber verdient Geld durch den Verkauf von Werbung und wir bekommen davon am Ende… NICHTS!

Wir haben deshalb aus Protest unser aktuelles Video als gemafreie Version auf YouTube gestellt. Da kann dann jeder hören, wie das klingt, wenn am Ende nur noch Schrottbands auf YouTube stehen, weil sich alle andere verpissen bzw. von der Seite gekickt werden.

Also, es ist ja nicht so, dass wir das ganze Ding mit KIM? wegen der Kohle machen. Das ist uns ehrlich scheiß egal. Wir lieben das was wir tun und wir werden – mit oder ohne Kohle, mit oder ohne Plattenfirma – immer Musik machen. Das machen wir jetzt schon seit 8 Jahren so…

ABER, wenn wir verarscht werden, dann kotzt uns das an. Wenn einer mit unserer Musik Geld verdient, dann wollen wir etwas davon abhaben. Das ist so bei Shirts von KIM?, bei CDs von KIM?, bei Konzerten von KIM? – wir bekommen immer einen fairen Teil der Einnahmen.

Nur auf YouTube ist das zur Zeit anders, weil die sich nicht mit der GEMA einigen können, die dort eben unsere Interessen vertritt. Wir finden es eine Schweinerei, dass YouTube gemapflichtige Musik einfach aussperrt, um uns Künstler quasi zu erpressen. Wie die Zukunft der Musikkanäle bei YouTube aussieht, wenn die Sperre bleibt, können die YouTube-Macker sich ja jetzt bei uns anschauen und anhören.

Und bei der GEMA brauchen die jetzt nicht in Freudentaumel verfallen, weil eine Rockband mal das Maul aufmacht und zufällig mal nicht die GEMA anpisst, sondern sich auf ihre Seite stellt. Der Laden ist für uns oft genug wie Zahnschmerzen. Nur hier, heute und in Sachen YouTube ist es ok, wenn die GEMA Zähne zeigt und sich durchsetzt…

Soso. Ich koennte jetzt lang und breit beispielsweise von dem Verkehrsanbieter und den Taxifahrern schreiben, die Geld durch das Fahrgastaufkommen im Rahmen der „KIM?“-Konzerte verdienen, ohne auch nur einen einzigen Cent an die Band abzugeben. Das spare ich mir jetzt aber mal. Der Kern der Sache liegt naemlich noch etwas tiefer.

Stefan Niggemeier hat dieser Tage ueber ein wunderbares Beispiel geschrieben. Jemand machte Videoaufnahmen in einem Aquarium in Japan, untermalte das mit einem Stueck der Band „Barcelona“ und stellte es auf Vimeo online. Per Definition ein glatter Urheberrechtsverstoss. Der Witz ist aber, dass dieses Stueck einer eigentlich nicht mal allzu bekannten Band so vielen Leuten gefiel, dass sich diese das Stueck tatsaechlich kauften. Fuer richtiges Geld. Bei iTunes. Obwohl sie das auch „einfach so“ haetten auf Vimeo hoeren konnten. Ohne dass die Kuenstler dafuer einen Cent Verguetung gesehen haetten.

Ein anderes Beispiel gibt es bei Thomas Knuewer, der ueber das in den letzten Tagen etwas viral gewordene Hochzeitsvideo berichtet, in dem die Hochzeitsgesellschaft zu „Forever“ von Chris Brown in die Kirche eintanzt. „Forever“ schoss daraufhin auf Platz vier der iTunes-Charts und Platz drei bei Amazon, und die Werbung im Video sei doppelt so haeufig angeklickt worden wie ueblich.

Das sind allesamt Beispiele fuer eigentlich nicht erlaubte Vervielfaeltigung urheberrechtlich geschuetzter Werke. Na gut, eigentlich sind es derivative Werke, aber nichtsdestoweniger handelt es sich hierbei um Urheberrechtsverletzungen, da die Rechteinhaber der urspruenglichen Werke fuer die Nutzung keine Verguetung erfahren. Der Witz an der Sache ist, dass diese unerlaubte Nutzung in diesen beiden Faellen den Urhebern kein bisschen schadet, im Gegenteil wirkte diese Nutzung verkaufsfoerdernd.

In unserer neuen digitalen Welt der perfekten Kopie, in der jeder kreativ sein und neue Werke auf der Basis anderer schaffen kann, gelten alte Geschaefts- und Verwertungsmodelle nicht mehr. Verstaubte Institutionen wie die GEMA behindern in ihrem starren Festhalten an diesen Modellen sowohl ihre Mitglieder als auch die Gesellschaft als Ganzes, worueber sich auch der Musiker Andreas Wagner juengst beklagte.

Die Aktion von „KIM?“ zeigt jedoch, dass selbst einige Bands diese Hintergruende entweder nicht verstanden haben — oder sie aber sehr wohl verstehen, aber ihre Fans mit dummen Spruechen verarschen, anstatt frank und frei zu sagen, was Sache ist.

Ich halte es beispielsweise fuer eine Frechheit, zu behaupten, es blieben nur „Schrottbands“ uebrig, wenn kein GEMA-Mitglied mehr auf Youtube veroeffentlicht. Unter den vielen Youtube-Mitgliedern befinden sich wahre Perlen, die ihre Musik ebenfalls aus reiner Freude an der Sache machen und veroeffentlichen, so wie „KIM?“ das von sich behauptet. Die werden nur eben nicht von der GEMA vertreten, die ihrerseits Youtube melken moechte.

Youtube reagiert, indem einfach keine Inhalte von GEMA-Mitgliedern mehr veroeffentlicht werden duerfen. Das ist deren gutes Recht, denn es ist ihre Plattform und sie haben die rechtlichen Konsequenzen zu tragen. Warum soll das aber nun eine „Schweinerei“ sein, und warum ist das „Erpressung“? Niemand zwingt „KIM?“, ihre Videos bei Youtube zu veroeffentlichen. Na gut, eigentlich schon: Das Publikum erwartet es eigentlich schon fast. Nur interessiert die GEMA das Publikum kein Stueck weit, sondern nur ihre Einnahmen, die sie ja „fair“ wieder den Kuenstlern zukommen lassen wollen.

Vor diesem Hintergrund koennte man sich ja einmal ueberlegen, ob man als Kuenstler wie „KIM?“ von der GEMA tatsaechlich noch vertreten wird — oder in Wirklichkeit verkauft. Und ob es sinnvoll ist, nun herumzujammern, wenn man die GEMA-Geister, die man rief, sein Leben lang am Hals haben wird.

Nachtrag: Wollte ich urspruenglich auch noch unterbringen, hab’s aber vergessen — was Trent Reznor von NIN von gratis im Netz angebotener Musik und Labels haelt.

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